David Brin
Existenz: Roman
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»Existenz: Roman« von David Brin
Der Astronaut Gerald Livingston entdeckt beim kosmischen Müllsammeln im Erdorbit ein außerirdisches Artefakt. Er nimmt es mit auf die Erde wo es untersucht werden soll. Forscher und Wissenschaftler finden heraus, dass es sich um eine Art Kristall handelt in dem sich zahlreiche außerirdische Bewußtseine verschiedener Rassen und Planeten befinden. Sie wurden einst in den Kristall hochgeladen und auf die Reise ins Universum geschickt. Wo immer sie auf intelligentes Leben treffen, sollen sie dieses erkunden und gleichzeitig vor dem unausweichlichen Schicksal aller intelligenten Lebewesen warnen – der Selbstvernichtung. Als Lösung vor dieser Selbstvernichtung bieten sie an, menschliche Bewußtseine zusätzlich zu sich in den Kristall zu laden und diesen millionenfach zu replizieren. Somit würde diesen Bewußtseinen quasi ein unsterbliches Weiterleben garantiert. Die Menschheit hätte anschließend nichts weiter zu tun, als diese Kristalle mit einer Art Kanone (die Unterlagen für den Bau liefern die Außerirdischen gleich mit) wieder ins Weltall zu schießen und auf den weiteren Weg zu bringen, wo sie dann auf den nächsten Planeten mit intelligentem Leben zu treffen hoffen um diesen zu warnen. Eine Art kosmischer Kettenbrief also.
Kurz nach dem Erstkontakt von Livingston mit dem Kristall, wird ebenso vor China ein zweiter Kristall gefunden. Es gelingt auch hier mit der Persönlichkeit in dem Kristall Kontakt aufzunehmen. Diese jedoch bezeichnet die Bewußtseine aus dem Weltraum-Kristall als Lügner, welche die Menschheit ins Verderben stürzen wollen. Das Chaos wächst weiter als überall auf der Erde, im Wasser, im nahen Weltraum und den Asteroidenringen weitere Kristalle auf sich aufmerksam machen. Wie es scheint ist die Erde und der Weltraum darum, von einer unzähligen Anzahl solcher Kristalle umgeben, die nun schlagartig alle Kontakt mit der Menschheit aufnehmen möchten. Viele der Kristalle sind beschädigt und miteinander verfeindet. Die Ereignisse überschlagen sich als urplötzlich eine Maschinenintelligenz in den Asteroidenringen zum Leben erwacht und mit Lasern eine Vielzahl der Kristalle zerstört und auch vor irdischen Raumschiffen nicht halt macht.
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Ich muss gestehen, ich habe mich mit dem vorliegenden Buch von David Brin anfangs sehr schwer getan. Das lag einmal daran, dass die Erstkontaktgeschichte nie so richtig in Schwung kommen wollte. Immer dann wenn es interessant wurde und sich die Geschichte um Gerald Livingston, dem Finder des außerirdischen Artefakts, drehte, war sie auch schon wieder vorbei und es gab den obligatorischen Schwenk zu den mehr als zahlreichen Nebengeschichten. Und diese sind dann auch gleich der nächste Punkt an dem es lag, dass einfach keine Lesefreude aufkommen wollte. Alles liest sich irgendwie ziemlich zäh und träge. Der Geschichte fehlt einfach der nötige Pep. Der Autor schwurbelt sich durch verschiedene Nebenstränge der Geschichte, aber den wichtigsten Punkt, das Auffinden des außerirdischen Artefakts und die weitere Untersuchung desselbigen, behandelt er doch sehr stiefmütterlich.
Brin bietet zahlreiche parallele Handlungsstränge an, die aber irgendwann, ohne Sinn für die weitere Handlung, im Sande verlaufen. Sei es die Geschichte um den Weltraumfreak Hacker, der mit Hilfe von selbstgebastelten Raketen kurz in die Erdumlaufbahn einschwenkt und dann wieder zur Erde stürzt und notwassert, die Geschichte rund um die junge Chinesin Mei Ling, oder auch Hamish Brookemans Suche nach dem Erpresser von Senator Strong. Irgendwie ergibt das alles keinen Sinn. Bei Hackers Überlebenskampf kann man Brin zumindest zugute halten, dass er hier einen Brückenschlag zu seinen Uplift Büchern geschlagen hat. Denn was Hacker findet, sind ein Rudel Delphine, von den Menschen upgeliftet, soll heißen, künstlich mit Intelligenz versehen. Somit erweist sich Existenz quasi als die Mutter des Uplift-Universums. Wenigstens etwas.
Auch die Geschichte um die Internetreporterin Tor Powlow, die mithilfe eines virtuellen Smartmobs, einer Verschwörung auf die Spur kommt und dabei schwer verletzt wird, zieht sich sehr in die Länge. Nicht der Mensch steht hier mehr im Mittelpunkt, sondern vielmehr das allgegenwärtige und alles umspannendes Weltnetz (quasi das globale Internet). Im Nachhinein betrachtet hat dieser Abschnitt zwar durchaus Sinn gemacht und Brin hat ihn auch gekonnt zu einem logischen Ganzen mit dem Rest verknüpft, aber dennoch bleibt bei mir die Frage warum er sie dermaßen ausgewalzt und sich nicht stattdessen stringent auf die Erstkontaktgeschichte konzentriert hat. Denn diese hat es wirklich in sich und bietet jede Menge an Potenzial. Im Gegenzug dazu wird leider auf die Geschichte der Maschinenintelligenz nicht wesentlich eingegangen. Sie taucht plötzlich auf, ballert ein bischen herum und verschwindet dann wieder, mehr oder weniger, klanglos. Hm...
Ein weiterer, für mich sehr störender Faktor, war der plötzliche und unerwartete Zeitsprung von fast 25 Jahren am (fast) Ende der Geschichte. Hier wird man als Leser vor eine völlig neue Situation gestellt, die Ausgangslage hat sich völlig verändert und wird auch nicht mehr weiter erklärt oder ausgeführt. Auf einmal tauchen Neandertaler an Bord eines Raumschiffs auf. Gut, das hatte sich im Laufe der Geschichte abgezeichnet (Stichwort: baskische Chimäre und die Begegnung Mei Lings mit derselbigen), tritt aber so was von unerwartet und beliebig auf, dass es schon fast ärgerlich ist. Auch die Konfrontation der beiden außerirdischen Kristalle, die eine völlig gegensätzliche Version der Geschichte erzählen und auf die man als Leser gewartet hat, hätte ein Highlight werden können, wird jedoch einfach übersprungen und mit keinem Wort erzählt. Sehr schade kann ich da nur sagen.
Dennoch, für mich schon fast unerklärlich ob der vielen Ärgerlichkeiten, übt das Buch einen großen Reiz auf mich aus. Ich konnte mich schon immer für Erstkontaktgeschichten begeistern und Existenz behandelt gerade dieses Thema umfassend. Ausgehend von Fermis Paradoxon –Wenn es Außerirdische gibt, warum sind sie dann nicht hier? - liefert Brin in Form von kleinen Essays zahlreiche mögliche Antworten auf diese Frage. Konkret für dieses Buch jedoch gilt: -Sie sind nicht hier, weil sie sich unweigerlich im Laufe ihrer eigenen Geschichte selbst zerstört haben-. Ein Schicksal, dem die Menschheit unaufhaltsam entgegenstrebt. Äußerliche Anzeichen dafür gibt es zuhauf. So ist der Meeresspiegel um mehrere Meter gestiegen und ganze Küstenabschnitte sind kilometerweise überschwemmt. Fast 10 Milliarden Menschen drängeln sich, teilweise in Armut, auf einer übervölkerten Erde, die ihrer Ressourcen beraubt wurde. Keine schöne Welt die uns Brin hier zeigt. Aber eine, auf die wir unweigerlich zusteuern, sollten wir unser Handeln nicht endlich einmal überdenken.
Ein weiterer wichtiger Punkt des Buches ist somit auch die Frage: Wie wird die Welt enden? Hier trumpft Brin wieder mit jeder Menge möglicher Antworten und Untergangsszenarien auf. Alles wird beleuchtet und auf Herz und Nieren geprüft. Auch die Welt in Existenz scheint auf die einzige denkbare und logische Möglichkeit zuzusteuern. Die Frage ist, ob die Menschheit es schafft hier entgegenzusteuern und das Ruder rumzureißen, sich nicht dem Diktat irgendwelcher Außerirdischer, die in Kristallen durch das Universum reisen, zu unterwerfen. Trotz allem Fatalismus der vielleicht angebracht ist, entlässt uns Brin doch nicht in die Hoffnungslosigkeit. Es spricht für ihn, dass er am Ende des Tunnels durchaus ein Licht sieht und nicht die Hoffnung verliert. Wir haben die Wahl, machen wir das Beste daraus.
Fazit:
Das Buch ist nichts für Leute denen es an Geduld fehlt, davon braucht man gerade am Anfang sehr viel. Die Geschichte ist unspektakulär, manchmal recht träge und verzettelt sich bisweilen in vielen Nebenschauplätzen. Dennoch, in seiner Ausführlichkeit interessant und vom Anspruch her recht hoch. Eine schwere Kost die es einem oftmals nicht leicht macht am Ball zu bleiben. Aber sie gewinnt im Verlauf an Schwung und ist irgendwie dann doch wieder faszinierend.