Benjamin Constable
Die drei Leben der Tomomi Ishikawa
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»Die drei Leben der Tomomi Ishikawa« von Benjamin Constable
Tomomi Ishikawa („Butterfly“) und Benjamin Constable sind beide nach Paris ausgewandert und treffen sich gerne bei einem Drink, um über alles mögliche zu sinnieren. Eines Tages erreicht Ben ein Brief von seiner Freundin – es ist ihr Abschiedsbrief, in dem sie ihm von ihrem offenbar bereits vollzogenen Selbstmord berichtet und ihn zu einer Art Schatzsuche auffordert. Ben ist schockiert, denn er wusste nichts von einer Krankheit Tomomis oder dergleichen. Zögerlich geht er ihren Hinweisen nach, sucht in Gärten, an Statuen und in Computerfestplatten. Seine Freundin wird ihm mit jedem Schriftstück fremder. Auf seiner Reise durch die Straßen von Paris und New York erreichen ihn schließlich Emails, die womöglich von Tomomi stammen. Ist das ganze nur ein makabres Spiel, ist Butterfly womöglich noch am Leben? Und haben sich die Ereignisse, die sie in ihren Nachrichten schildert, wirklich ereignet?
Meinung
Die Cover der englischen und der deutschen Ausgabe könnten kaum unterschiedlicher sein: die englische hat einen schwarzen Hintergrund mit einem buntem Schmetterling, der fast aussieht, als blute er, während die deutsche Ausgabe weiß-rot daherkommt und weitaus unbeschwerter wirkt. Völlig unterschiedliche Stimmung also, und doch haben beide Recht. Leichtigkeit und Unheimliches, Tragisches und Schönes wechseln sich ab im Roman von Benjamin Constable.
Die Geschichte klingt nicht nur skurril, sie ist es auch – allerdings auf andere Art, als die Aufmachung des Buches suggeriert. Hier handelt es sich weder um ein locker-flockiges Reiseabenteuer mit anschließender Geheimnis-Auflösung noch um eine romantische Liebesgeschichte. Es ist vielmehr die systematische Verwirrung des Lesers, was nun „wahr“ ist und was „Fiktion“. Denn der Roman beginnt mit einem Gespräch über Romane: Ben spielt mit dem Gedanken, einen Roman zu schreiben, „eine Geschichte über zwei Leute, die sich hin und wieder zum Plaudern treffen“ - das ist Tomomi viel zu langweilig, und so kommen eine Mordserie, New York und Paris dazu. Mit jeder Nachricht, die Ben aufstöbert, scheint es wahrscheinlicher, dass das unverfängliche (?) Geplänkel über das Verfassen eines Romans in die Tat umgesetzt wird. Dabei bleibt offen, ob Tomomi Ben bloß frei erfundene Geschichten schreibt, oder ob sie womöglich gar nicht die ist, die sie zu sein scheint. Nicht nur die mysteriösen Nachrichten Tomomis, auch Bens gelegentlicher Gefährte, die unsichtbare Katze, und die traumhaften Szenen lassen immer wieder Verwirrung über den Realitätsstatus der Dinge aufkommen. Das Buch ist insofern wie ein Krimi aufgebaut, dass erst am Ende entscheidende Hinweise geliefert werden – andererseits verweigert sich der Roman der Kategorisierung, lässt den Leser im Dunkeln. Mit den letzten Seiten (und je mehr man über alles nachdenkt) wird nichts klarer, sondern im Gegenteil noch verwirrender.
Man kommt beim Lesen dieses Buches leicht ins Grübeln, zu welchem Genre es eigentlich gehört – Krimi, Thriller, Mystery, gar ein Roman über Freundschaft, ein Liebesroman? Vielleicht macht es zum Teil den Charmes dieses Buches aus, dass es so schwer in eine Schublade einzusortieren ist.
So unterhaltsam das Spiel mit der Fiktionalität von Literatur auch ist, frage ich mich am Ende, doch: was bleibt? Themen wie Freundschaft, Tod und das Leben mit tragischen Ereignissen werden angesprochen, aber vieles scheint konstruiert, überzeichnet. Für mich gab es letzten Endes nicht viel, was einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat, aber das muss jeder selbst für sich entscheiden.
Fazit
Wer klare Antworten will, offene Enden oder imaginäre Katzen verabscheut und ein flottes Erzähltempo bevorzugt, sollte vielleicht einen Bogen um Constables Debüt machen. Man merkt ihm das Vorbild Murakami an, nicht nur was die Katze angeht, sondern auch was die etwas skurrile und gemächliche Art betrifft. Neben einem vergnüglichen Verwirrspiel erwartet den geneigten Leser eine außergewöhnliche Reise nach Paris und New York.