Steven Erikson Das Spiel der Götter 3
Im Bann der Wüste
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»Im Bann der Wüste« (Das Spiel der Götter 3) von Steven Erikson
Mit immerhin einem halben Jahr Abstand zum ersten Abschnitt des zweiten Teils der monumentalen Saga „Das Spiel der Götter“ veröffentlichte Blanvalet den abschließenden Handlungsstrang unter dem Titel „Im Bann der Wüste“. Da dieser Band fast 600 Seiten umfasst, ist das Splitting von Steven Eriksons Werk zu verstehen, doch warum eine derart große zeitliche Differenz erforderlich ist, will dem Rezensenten nicht einleuchten.
Die Handlung setzt folgerichtig da an, wo „Das Reich der Sieben Städte“ geendet hat. Der Leser erlebt eine unheimliche Schiffsreise von Felisin, Heboric und deren Gefährten durch ein magisches Gewirr und schließlich stürzen einige Mitglieder in die gefürchtete Wüste Raraku. Hier beginnt für Felisin und deren Begleiter eine abenteuerliche und verlustreiche Wanderschaft. Man versucht dem gigantischen Wirbelwind zu entkommen, begegnet mörderischen Gestalt- und Vielwandlern und kommt zu dem Ort an dem die Seherin Sha’ik den Tod fand, obwohl sich deren Prophezeiung erfüllen konnte. Unterwegs erkennt man Baudins wahre Aufgabe und selbst Felisin erkennt den Wert des blinden und handlosen Priesters Heboric. Man spürt den Einfluss der Götter, die sich immer wieder direkt und indirekt in die Geschehnisse der Sterblichen einmischen. Schließlich offenbart sich das Schicksal der jungen Adligen Felisin auf eine nicht vorhersehbare Weise.
Zur gleichen Zeit kämpfen sich der Sappeur Fiedler, der ehemalige Dieb Crokus, der Jhag Icarium und dessen ungewöhnlicher Partner, der Trell Mappo, ebenfalls durch die unwirtliche Wüste. An ihrer Seite ist der Priester Pustl, der ein seltsames Spiel abliefert. Alle verfolgen zum einen Apsalar und deren Vater und alle bewegen sich in Richtung Tremolor, einem Haus des Totengottes mitten im Ödland, von dem es kein Entrinnen geben soll. Hier könnte sich das Schicksal der schon ewig andauernden Suche des Jhags Icarium erfüllen, falls nicht vorher die große Katastrophe eintritt und dieser seine Erinnerungen wieder gewinnt. Dies versucht sein treuer Gefährte Mappo zu verhindern, denn diese Aufgabe wurde ihm vor unendlich langer Zeit übertragen. Unter größten Anstrengungen erreichen sie das gefürchtete Haus, wobei sich einige Rätsel zu lösen scheinen. In allerletzter Sekunde können sie das Haus selbst betreten, nachdem es zu gefährlichen Situationen im grauenvollen Labyrinth um dieses Haus kommt. Und immer wieder ist da der seltsame Hohepriester Pustl. Doch auch im Haus ist ihr Ziel nicht erreicht. Dann wird die Gruppe auch noch zersplittert, doch Steven Erikson löst einige dieser Handlungsteile geschickt auf.
Ein anderer Erzählstrang offenbart das weitere Schicksal des Assassinen Kalam und dessen Hoffnung, die verhasste Imperatrix Laseen zu töten. Teilweise wird dessen Gruppe unmittelbar mit dem furchtbaren Krieg, der auf dem Kontinent wie entfesselt tobt, konfrontiert. So ist Kalam fassungslos, dass so viele Kinder grausam behandelt werden und dem Tod ausgesetzt sind und versteht die Tatenlosigkeit der Götter nicht. Über magische Wege gelangt der Trupp nach Aren, nur um festzustellen, dass auch hier Verrat und Feigheit regieren. Außerdem ist seine eigentliche Zielperson nicht da. Auf einer seltsamen Seefahrt mit dem undurchsichtigen Salk Elan strandet man schließlich an einem nicht erwarteten Zielort. Und hier beginnt Kalams eigentlicher Kampf. Er bekommt Verbündete, trifft unerwartet alte Freunde, doch auch mächtige und kaum zu erkennende Feinde geben sich die Ehre. Plötzlich ist auch die Imperatrix anwesend. Als danach auch noch der König des Hauses der Schatten, nämlich Schattenthron selbst auftaucht, ist die Verwirrung perfekt und manche Entscheidung in dessen Gegenwart überrascht.
Nicht zuletzt gelten die Geschehnisse dem Verlauf der Kette der Hunde in Richtung Aren. Unter der Kette der Hunde ist der Zug der Flüchtlinge und malazanischen Soldaten zu verstehen, die sich durch ein mörderisches Land kämpfen, wo sich fast alle einheimischen Stämme gegen die verhassten Eroberer erhoben haben. Diese nahezu unlösbare Aufgabe steht unter der Leitung der Faust Coltaine, einem wickanischen Krieger. An seiner Seite steht unter anderem der Historiker Duiker, der die Erlebnisse dokumentiert. Doch angesichts des nie enden wollenden Grauens, des Sterbens, der Angriffe und Gegenattacken gibt Duiker immer weniger auf diese Aufgabe. Hier geht es nur noch um das nackte Überleben. Coltaine erringt dank seiner Raffinesse Teilsiege, doch die abtrünnige Faust Korbolo Dom bekämpft und attackiert den immer mehr schrumpfenden Flüchtlingszug. Dabei zeigt sich das Unvermögen der Adligen, die selbst in den schlimmsten Situationen auf ihren Stand pochen, was gerade für Duiker nicht zu fassen ist. Dem Flüchtlingszug wird immer mehr klar, dass von Aren aus keine Hilfe zu erwarten ist. Dort ist die Hohefaust Pormqual an der Macht, doch dessen Feigheit und hinterhältige Ratgeber verhindern die Rettung vieler Leben. Als Coltaine das nahe Ende erkennt, schickt er Duiker mit den Flüchtlingen nach Aren voraus und versucht selbst Korbolo Dom aufzuhalten. Duiker erreicht das Ziel, doch neuer Verrat bahnt sich an. Plötzlich wird vieles noch schrecklicher, an anderer Stelle bahnt sich etwas wie Hoffnung an. Als dann auch noch die wiedergeborene Seherin vor Arens Toren auftaucht und sich eine Flotte des malazanischen Imperiums ankündigt, scheint alles möglich. Doch Steven Erikson wäre nicht ein so begnadeter Autor, wenn er nicht auch hier mit größtenteils unerwarteten Entscheidungen den Leser überraschen würde.
Das Buch „Im Bann der Wüste“ ist im Zusammenspiel mit „Das Reich der Sieben Städte“ sicher eines der faszinierendsten und anspruchvollsten Fantasybücher der letzten Jahre. Selten hat ein Schriftsteller eine solch vielschichtige Handlung so geschickt verwoben und dabei ein so hohes Erzählniveau gehalten.
Etwas gewöhnungsbedürftig sind die häufigen und längeren Passagen, wo die Gedanken der agierenden Personen wiedergegeben werden (kursiv geschrieben). Diese sind sicher wichtig und hilfreich, doch gerade solche Abschnitte sind hin und wieder ein wenig ermüdend.
Der vorliegende abschließende Teil des zweiten Bandes „Das Spiel der Götter“ stellt im Gegensatz zum ersten Part mehr Verbindungen zum Buch 1 „Die Gärten des Mondes“ her. So wird öfters auf dort agierende Personen und Orte verwiesen.
Wer „Im Bann der Wüste“ liest, sollte unbedingt erst kurz vorher „Das Reich der Sieben Städte“ durchgearbeitet haben. Ansonsten könnte sich das Werk teilweise als schwierige Lektüre darstellen. Es ist zu berücksichtigen, dass es relativ viele Handlungsebenen und Personen gibt. Außerdem ist es gar nicht so einfach, herauszubekommen, welche Ziele welche Gruppe hat. Es wäre wirklich hilfreich gewesen, wenn man im vorliegenden Band eine kleine Zusammenfassung des bisherigen Geschehens gegeben hätte. Zu überlegen ist auch, ob diese großformatige Paperback-Reihe von Blanvalet für den Verkauf eines solch wirklich guten Buches förderlich ist. In den Buchhandlungen sieht man die Bücher von Steven Erikson eher selten und der Preis ist mit 12 Euro auch nicht zu verachten.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass Erikson ein wortgewaltiger kanadischer Autor ist, dem es gelingt, den Leser immer wieder zu fesseln und dem glänzende bildliche Vergleiche gelingen („Toggs drei Masken des Krieges. Noch bevor der Tag vorbei ist, wird jeder Einzelne von uns sie alle drei tragen. Entsetzen, Wut und Schmerz“ [Duiker, S. 159]). Unglaublich realitätsnah scheinen die Beschreibungen der Kriegsschrecken, des Mordens usw. Obwohl nur wenig davon vordergründig abgehandelt wird, sind gerade diese Szenen nicht einfach zu verarbeiten.
Bleibt zu hoffen, dass bald eine Fortsetzung der Saga erscheint. Möglichkeiten hat sich Steven Erikson genug gelassen. Doch soll es ein solches Buch noch nicht einmal im Original geben.
Als Gesamtwerk wird für dieses Buch eine knappe 10 vergeben. Betrachtet man den zweiten Abschnitt „Im Bann der Wüste“ für sich, ist aufgrund der manchmal nicht immer leicht zu verstehenden Zusammenhänge eher eine 8 gerechtfertigt.