Paolo Bacigalupi
Biokrieg
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»Biokrieg« von Paolo Bacigalupi
Asien nach dem totalen wirtschaftlichen Zusammenbruch: Erdöl gibt es nicht mehr; die Natur steht kurz vor dem Kollaps, da zu viel Gentechnik Mutationen hervorgebracht hat, die sie nicht mehr verkraften kann. Einige wenige Länder haben Saatgut, unverändertes Saatgut, gebunkert, welches nun das Überleben der Menschheit sichern soll. Doch nicht nur die Natur wurde verbessert, sondern auch die Menschen und die Tiere. Aufziehmenschen werden diese neuartigen Kreaturen genannt. Resistent gegen die neuartigen Viren, scheinen sie Übermenschen zu sein, vor denen sich jeder insgeheim fürchtet, die öffentlich aber verachtet werden. Die Welt droht in einem selbstinszenierten Chaos zu versinken.
Das Cover zeigt ein Teil eine Geisha-Gesichts. Schneeweiß mit blutroten Lippen, wirkt es verstörend. Es scheint Qualen und Hoffnungslosigkeit widerzuspiegeln, aber auch einen eigentümlichen Kampfgeist und eine gewisse Überheblichkeit. Anfangs fand ich es ziemlich nichtssagend, aber je weiter das Buch voranschritt, desto mehr wurde mir klar, dass es kein besseres Bild für dieses Buch hätte geben können.
Paolo Bacigalupi hat mit Biokrieg ein interessantes und hochbrisantes Werk geschaffen. Das Was-Wäre-Wenn ist keine Fiktion mehr, sondern grauenvolle Realität. Er zeigt eine Welt, die ausgebeutet und gequält wurde. Als die Menschheit dies erkennt, ist der Weg zur Umkehr fast verbaut, wenn nicht schon zu spät. Schonungslos offen und brutal hält er uns einen Spiegel vor die Augen. Dieses Buch ist keine Warnung, sondern viel mehr eine Bitte, es nicht so weit kommen zu lassen, dass die Menschheit sich endgültig in Gier und Hass verliert.
Durch häufige Wechsel der Protagonisten und der Örtlichkeiten baut Bacigalupi Spannung auf, die sich das gesamte Buch über hält. Recht eigenwillige und unvorhersehbare Handlungssprünge machen das Lesen dieses Buches zu einem Erlebnis. Ich war immer wieder überrascht, welche Wendung die Handlung nehmen kann. Leider selten ins Gute, sondern durch Druck und Angst scheint die Abwärtsspirale ins Unendliche zu rasen. Keine Aussicht auf Besserung. Trotzdem wirkt die Stimmung nicht niederschmetternd oder hoffnungslos, sondern eher gleichgültig. Dies überraschte mich sehr, da es der Autor tatsächlich schafft, nicht zu werten, sondern es jedem selbst überlässt, dies vorzunehmen. Wer vor den nackten Tatsachen seine Augen verschließt, ist selber Schuld. Selten habe ich ein Buch gelesen, in dem die Glaubwürdigkeit so stark vermittelt wurde!
Genauso stark und einmalig wie die Handlung, kreiert Paolo Bacigalupi seine Charaktere. Keine Sekunde zweifelte ich an ihrer Authensität, an ihrer Lebendigkeit und Einmaligkeit. Sehr geschickt verwebt der Autor die Handlung mit den Personen und schafft ein gewaltiges, ineinander verschlungenes Bild, welches Angst macht, zugleich aber auch Mut einflößt. So grauenvoll die Zukunft auch werden mag, es wird immer Helden geben, die die Menschheit nicht aufgeben, sondern für ein Überleben kämpfen.
Mitten in diesem Chaos versucht Jaidee, der Tiger, sich gegen Bestechungsgelder zu wehren und seine Truppe der Weißhemden mit Anstand zu führen. Ein Kampf gegen Windmühlen. Es war sehr angenehm, über Jaidee zu lesen, da mich dieser starke Charakter tief berührte. Zu Beginn habe ich mich jedoch schwer mit ihm getan, da nicht recht zu erkennen war, in welche Richtung er sich entwickelt, aber dann wurde mir klar, dass er mein Held der Geschichte ist. Charakter stark und unbeugsam stellt Jaidee sich Widrigkeiten in den Weg. Das Wort Aufgeben, kennt er nicht, was ich absolut bewundernswert fand.
Emiko, ein japanisches Aufziehmädchen kämpft verzweifelt um ihr Überleben. Als Lustsklavin terrorisiert, wird sie schließlich so in die Enge getrieben, dass sie keinen Ausweg mehr sieht. Ihre Geschichte ging mir sehr nahe. Als gezüchteter Übermensch keine Anerkennung, kein eigenen Leben auf der Welt zu finden, keine kleine Nische, in der das Leben sicher und sinnvoll ist, gab mir schwer zu denken. Perfektionismus ist ein starker Antrieb unserer Gesellschaft. Was geschieht, wenn die Perfektion erreicht wurde, wird an Emiko deutlich.
Auch die anderen Charaktere wirken stark und einmalig. Es gibt keine kleinen Randfiguren, sondern Paolo Bacigalupi haucht jedem Geschöpf Leben ein, so unwichtig es auch im ersten Moment für die Handlung erscheinen mag. Interessant fand ich die Spannbreite durch die gesamte Bevölkerung. Ausgebeutete Kinder verschaffen sich genauso viel Raum wie machthungrige Konzernchefs. Die Mischung ist dem Autor wirklich unglaublich gut gelungen.
Mein Fazit
Brandaktuell, berührend und kritisch, entführt Biokrieg in eine Was-Wäre-Wenn-Welt, die nicht schlimmer sein könnte.