Francesca Haig Omega 1
Das Feuerzeichen
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»Das Feuerzeichen« (Omega 1) von Francesca Haig
Eine große Explosion hat die Welt verändert. Die Überlebenden hatten mit Strahlung und einem langen Winter zu kämpfen. Maschinen und Technik, die verantwortlich gemacht wurden, wurden aus der Welt verbannt. In dieser Welt werden nur noch Zwillinge geboren, Alpha und Omega, ein perfektes Kind und eines, das verkrüppelt ist und verstoßen wird, in ärmlichen Omega-Siedlungen überleben muss. Alpha und Omega sind allerdings voneinander abhängig: stirbt ein Zwilling, stirbt der andere, hat ein Zwilling starke Schmerzen und wird verletzt, fühlt das auch der andere. Das hindert die Alphas allerdings nicht daran, die Omegas zu unterdrücken.
In diese Welt werden Cassandra, genannt Cass, und ihr Zwilling Zach hineingeboren. Cass ist eine Seherin, auch unter den Omegas eine seltene Gabe. Sie sieht die Vergangenheit, die Explosion, in ihren Träumen, hat aber auch Visionen von der Gegenwart und Zukunft. Da sie als Seherin keinerlei körperliche Veränderungen hat, benötigt es 13 Jahre und einen Verrat ihres Zwillingsbruders, bis ihre Eltern herausfinden, dass sie die Omega ist.
Cass wird weggeschickt und wächst in einer Omega-Siedlung auf, während ihr Bruder Karriere macht und Mitglied des Rates wird. Aus Angst, dass ihn jemand über seinen Zwilling schaden könnte, lässt er Cass gefangen nehmen und in einer Zelle mehrere Jahre einsperren. Doch Cass kann fliehen und rettet nebenbei Kip, einen einarmigen Omega, der in einem Tank aufbewahrt wurde. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach einer Insel, von der es heißt, dass alle Omegas dort friedlich leben können. Zach und die Beichtmutter, eine Omega-Seherin, die für die Alphas arbeitet, haben allerdings ganz andere Pläne und machen Jagd auf die beiden.
Kommentar:
Das Feuerzeichen ist eine Dystopie, die ein eher jüngeres Publikum als Zielgruppe hat, auch wenn Cass mit ihren 23 oder 24 Jahren schon etwas älter ist als die durchschnittlichen Protagonisten der vielen Dystopien, die gerade auf den Markt drängen.
Die Autorin nimmt einen gleich am Anfang mit ins Geschehen und der Leser erlebt zusammen mit der noch unbekannten Ich-Protagonistin, wie Soldaten Jagd auf sie machen. Auf den ersten Seiten war noch nicht einmal klar, ob der Erzähler weiblich oder männlich ist, der Leser wird aber sehr schnell in die Welt eingeführt und erhält immer wieder Informationen, sowohl über die Welt als auch über das Leben von Cass und ihrem Zwilling Zach. Das Problem ist allerdings, dass das Buch zwar mit sehr viel Tempo erzählt wird, auf der anderen Seite durch den Erzählstil aber trotzdem an vielen Stellen langatmig ist, sodass ich mich durch einige Passagen durchquälen musste. Ich hatte teilweise das Gefühl, alles schon einmal gelesen zu haben. Erst am Schluss nimmt die Geschichte Fahrt auf und wird noch einmal spannend.
Das Hauptproblem für mich waren die Charaktere. Cass, nach der Seherin Cassandra benannt, ist die einzige Figur, die ich die meiste Zeit sympathisch fand, ein starker Charakter, der nicht nur überleben, sondern sich dem Widerstand anschließen möchte, um die Welt zu ändern. Umso überraschender war es, dass sich ihr Charakter im hinteren Teil des Buches kurzzeitig ändert, sie wehleidig wird und sich zurückzieht. Das passte so gar nicht zu ihr. Die anderen Protagonisten blieben hölzern, ohne Tiefe und ich fand keinen von ihnen wirklich sympathisch. Jeder hatte seine eigenen Ziele, die er mehr oder weniger rücksichtsvoll durchsetzen wollte oder hatte keinen eigenen Charakter, wie Kip, der eigentlich immer nur das Gegenteil von Cass wollte, gleichzeitig aber in sie verliebt war. Diese Liebesgeschichte hat sich für mich auch so angefühlt, als wenn das zu einem Jugendbuch dazugehört, also wurde sie hineingeschrieben. Wirkliche Tiefe oder ein Zauber ging davon aber nicht aus.
Die Idee mit Zwillingen, von denen der eine gefürchtet und gehasst ist, der andere im Wohlstand lebt, die aber beide voneinander abhängig sind, da das, was dem einen passiert, auch dem anderen zustößt, hat teilweise zu interessanten Entwicklungen geführt. Wie geht man mit einem Gegner um, den man nicht einfach töten kann, weil man gleichzeitig jemanden von seiner eigenen Seite oder gleich sich selbst tötet?
Allerdings konnte ich nicht nachvollziehen, warum in einer postapokalyptischen Welt nur noch Zwillinge geboren werden, von denen einer verkrüppelt ist und der andere nicht. Ich denke, die Idee hätte besser funktioniert, wenn die Geschichte in einer reinen Fantasywelt angesiedelt gewesen wäre, ohne vorherige Katastrophe. Das spannende an Dystopien ist ja eigentlich, dass man das Gefühl hat, so könnte es passieren.
Die Stärke des Buches ist das Spiel mit den Vorurteilen der Menschen , die auf extreme Weise dargestellt werden. Bis auf die Seher haben alle Omegas körperliche Behinderungen, die so klein sein können, dass man sie auf den ersten Blick gar nicht sieht, wie zum Beispiel einen sechsten Zeh. Trotzdem werden sie aufgrund ihrer Behinderungen ausgeschlossen, beschimpft, unterdrückt, als Gift angesehen. Sie dürfen nur in kargen Gebieten leben, müssen Steuer zahlen und es erdulden, wenn die Alphas in die Dörfer reiten, um zu plündern. Indem die Geschichte aus der Sicht der Omegas erzählt wird, zeigt die Autorin, dass auch behinderte Menschen ein Recht auf ein ganz normales Leben haben und nicht anders sind, als die „perfekten“ Alphas. Ihr fehlte allerdings der Mut, auch ihre Omega-Heldin Cass verkrüppelt darzustellen. Als Seherin hat sie überhaupt keine körperlichen Behinderungen. Das fand ich ein bisschen schade, da hätte sie konsequenter sein können.
Fazit:
Das Feuerzeichen ist eine Dystopie, die sich zwar nicht aus der Masse hervorherbt, aber einige starke Momente und ein spannendes Ende hat.