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Joe Haldeman

Der Ewige Krieg: Gesamtausgabe


 
»Der Ewige Krieg: Gesamtausgabe« von Joe Haldeman


Besprochen von:
 
Detlef V.
Deine Wertung:
(4.5)

 
 
Ob es Joe Haldeman nun gefällt oder nicht, mit seinem Namen verbindet wohl jeder Leser automatisch sein Erstlingswerk The forever War (Der ewige Krieg). Obwohl anschließend noch zahlreiche weitere Werke aus seiner Feder folgten, steht dieses preisgekrönte Buch wie kein zweites für das Schaffenswerk des Autors. Eines Autors, um den es seit Ende der neunziger Jahre relativ ruhig geworden ist, zumindest in Deutschland. Eher beiläufig wurde hier 2006 die Verleihung des Nebula Award für Camouflage (Camouflage) in der Kategorie –Bestes Buch- zur Kenntnis genommen. Umso erfreulicher ist es, dass der in Frankfurt ansässige Mantikore Verlag sich der Bücher von Joe Haldeman angenommen hat. Mit Camouflage und Herr der Zeit (The Accidental Time Machine) liegt das Augenmerk aber nicht nur auf der Herausgabe der neueren Werke von Haldeman, sondern auch auf der Neuausgabe seiner älteren. Das Ergebnis dieser Strategie ist der Sammelband Der ewige Krieg, in dem die drei thematisch eng miteinander verknüpften Bücher Der ewige Krieg, Am Ende des Krieges (Forever Free) und Der ewige Friede (Forever Peace) enthalten sind.

Auch wenn alle drei Bücher bereits als Einzelromane im Heyne Verlag veröffentlicht wurden, so sind sie doch nie, das behaupte ich jetzt einfach mal rotzfrech, optisch so wunderschön dem Leser präsentiert worden. Das Cover, gemalt von dem französischen Künstler Pascal Quidault, ist nicht nur stimmungsvoll, sondern ein echter Hingucker, ebenso wie das beiliegende Poster des Titelbildes (im Format 42 x 30 cm). Abgerundet wird die Ausgabe durch ein Interview mit Joe Haldeman. Allerdings, das muss auch gesagt werden, hat das Lektorat (mal wieder) suboptimal gearbeitet. Das Buch ist, wie auch die beiden Vorgänger, durchsetzt von zahlreichen Rechtschreibfehlern, Auslassungen und Wortverdrehern. Das sollte in der Häufigkeit eigentlich nicht passieren.

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Der ewige Krieg handelt von dem Soldaten William Mandella, der in den Krieg gegen eine relativ unbekannte außerirdische Spezies, den Tauriern, geschickt wird. Die Gründe warum und wieso genau dieser Krieg stattfindet, sind eher vage – man ist halt irgendwie aneinandergeraten. Mandella ist einer von 100 jungen und hochintelligenten Soldaten, welche die Speerspitze im Kampf gegen die Taurier bilden sollen. Mittels Kollapsar-Sprüngen, die Raumschiffe werden dabei in Richtung eines schwarzen Loches geschleudert und bewegen sich an einer Einsteinschen Geodäten entlang zum nächsten schwarzen Loch und werden dort wieder an einem zuvor berechneten Punkt herausgeschleudert, bewegt man sich in Nullzeit durch das Universum. Zumindest für die Benutzer dieser Kollapsar-Sprünge, denn für den Rest des Universums vergeht die Zeit in den gewohnten Bahnen. Mit jedem Sprung entfernen sich Mandella und seine Kameraden daher zeitlich immer mehr von ihrer Heimat und ihren Angehörigen. Während für sie nur Monate vergehen, altert der Rest des Universums um Jahrtausende. Die Kämpfe gegen die Taurier sind dagegen noch Mandellas kleinstes Problem. Er steigt in der Militärhierarchie weiter auf, seine einzige Konstante ist Marygay Potter, Soldatin wie er und die Frau, die er liebt. Aber auch hier droht die Entfremdung, denn Marygay wird auf einen anderen Planeten geschickt um zu kämpfen. Sollten ihre Kollapsar-Sprünge länger oder kürzer als die von William sein, würde die Zeitverschiebung auch ihre Beziehung beenden.

Die vorliegende Geschichte wird immer ein wenig als die Verarbeitung von Haldemans Vietnamerfahrung betrachtet, seine Art, die Geschehnisse aufzuarbeiten. Das ist aber nur zum Teil richtig, wie er selbst in dem beiliegendem Interview zu verstehen gibt. Weist die Story anfangs noch echte Parallelen zu den Vietnamerfahrungen zahlreicher Ex-Soldaten auf, Entfremdung und Anfeindungen bei und nach der Heimkehr, Kampf gegen einen listigen und unbekannten Feind, sowie die harte und entbehrungsreiche Ausbildung im Trainingscamp, so entwickelt sich der weitere Verlauf jedoch in eine geradezu absurde Richtung. Die Entfremdung ist nun nicht mehr nur die Entfremdung eines Frontkämpfers mit seiner Heimat, sondern eine Entfremdung über Zivilisationen und Generationen hinweg. Der sexuelle Aspekt nimmt einen immer größeren und wichtigeren Raum ein, die Menschheit beginnt eine Entwicklung vom Individuum weg, hin zum Kollektivbewußtsein. Ein nötiger Schritt um die Taurier besser verstehen und den Krieg endlich beenden zu können. Und gerade dieses Ende zeigt noch einmal deutlich auf, wie unnütz und überflüssig dieser ganze Krieg doch tatsächlich gewesen ist. Haldeman thematisiert dabei aber nicht nur den Krieg, sondern eben auch die Schwierigkeiten von Mandella und seinen Kameraden, sich dieser neuen Welt anzupassen. Jede Heimkehr wird gleichzeitig auch ein Kulturschock. Homosexualität wird zur Normalität, um einer Überbevölkerung entgegenzuwirken. Relikte wie Mandella, heterosexuell und mit Moralvorstellungen des zwanzigsten Jahrhunderts behaftet, wirken wie Kuriositäten und werden teils bemitleidet, teils belächelt.

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Das zweite Buch, Am Ende des Krieges, ist eine direkte Fortsetzung von William Mandellas Geschichte. William und Marygay haben es sich auf Mittelfinger (Nomen est Omen) bequem gemacht. Allerdings entpuppt sich der Planet nicht als das Gartenparadies, als das Haldeman es im ersten Band noch angepriesen hat. Hier merkt man schon, dass er im Vorgängerbuch seinen beiden Protagonisten ein Happy End bescheren wollte, dass er jedoch nun, um die neue Geschichte in Fahrt zu bringen, leicht revidieren muss. Mittelfinger entpuppt sich als Eishölle mit langen und kalten Wintern. Auch die Menschheit ist nicht mehr das, was sie mal war. Sie ist zu einem Kollektiv geworden, zu einem Bewusstsein, verteilt auf menschliche Körper die, sollten sie sterben, ihr Wissen und ihre Erfahrungen an das „Grundbewusstsein“ weitergeben können. Ein Server mit vielen Workstations oder auch eine Bienenstock-Intelligenz. Alte Krieger wie Mandella sind Anachronismen, nach Mittelfinger aussondiert und von –den anderen Menschen- (das ist die offizielle Bezeichnung für die neue Menschheit) „geduldet“. Sollte eventuell die Entwicklung –der anderen Menschen- in einer evolutionären Sackgasse enden, hofft man, sich aus dem Genpool der Veteranen bedienen und notfalls „frische und ursprüngliche DNA“ zuführen zu können. Aber Mandella und Co sind nicht glücklich in dieser Welt und beschließen mit einem Zeitraumschiff per Dilatationsflug Jahrtausende in die Zukunft zu reisen. Mit Gewalt wird ein Raumschiff gekapert und rund 120 Veteranen machen sich auf den Weg. Unerklärliche Vorfälle an Bord des Raumschiffs machen jedoch eine Weiterreise unmöglich und man beschließt den Flug zu unterbrechen und nach Mittelfinger zurückzukehren. Dort angekommen stellt man fest, das sowohl Mittelfinger, wie auch alle anderen Planeten entvölkert sind.

Haldeman selbst sagt zu dem Buch, dass man ihn gebeten hat eine Fortsetzung zu Der ewige Krieg zu schreiben, für ihn selber war die Geschichte von William Mandella abgeschlossen. Das merkt man dem Buch auch ein wenig an. Es wirkt seltsam uninspiriert und gleitet gegen Ende hin eher ins lächerliche ab. Das ist sehr schade, denn der Grund warum der Flug unterbrochen werden musste und das Geheimnis um die entvölkerten Welten liest sich geheimnisvoll, die Auflösung dieser Frage versprach eine interessante und spannende Geschichte. Was Haldeman dann jedoch daraus macht ist mir unerklärlich. Er führt das Ganze ad absurdum und löst die Geschichte auf eine doch recht einfache und eher plumpe Weise auf. Der Ausdruck Deus ex machina kann man hier (leider) schon wörtlich nehmen. Meines Erachtens wird diese Geschichte dem Vorgängerband in fast keiner Weise gerecht. Schade um das verschenkte Potenzial.

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Der dritte Band zeigt einen Haldeman, der wieder zur Normalform gefunden hat. Der ewige Friede wurde gleich mit drei Preisen ausgezeichnet. Auch hier ist das Grundthema wieder der Krieg. In Teilen Afrikas, Asiens und Südamerikas bekämpft die Allianz Rebellengruppen, Ngumis genannt. Die Soldaten kämpfen nicht persönlich vor Ort, sondern klinken sich mental in Kampfroboter ein, sogenannten Soldierboys. Einer dieser Soldaten ist Julian Class. Wenn er nicht gerade im Einsatz ist, lehrt er an der Universität Physik oder arbeitet am streng geheimen Jupiter-Projekt mit. Das Ziel des Projektes ist es, in einem eng begrenzten Bereich in der Nähe des Jupiters den Zustand herzustellen, der kurz vor dem Beginn des Urknall geherrscht haben soll. Mit der Zeit jedoch kristallisiert sich heraus, dass dieses Experiment möglicherweise die Vernichtung unseres Sonnensystems nach sich ziehen könnte. Grund genug für eine Weltuntergangssekte, alle Gegner des Experimentes aus dem Verkehr zu ziehen. Allerdings ist dieser Teil nur ein Unterpunkt der Geschichte. Das Hauptaugenmerk richtet Haldeman auf das Thema Soldierboys, denn gerade diese Kampfroboter tragen das Potenzial für eine Beendigung aller Kriege auf der Welt und einer umfassenden Befriedung der Menschheit in sich.

Julian Class ist kein Kämpfer im eigentlichen Sinne, er ist vielmehr ein sensibler junger Mann, der gezwungenermaßen als Operator einen Soldierboy bedienen muss, jedoch penibel darauf achtet nicht noch mehr Leid und Verderben zu verbreiten. Hier zeigen sich bereits die ersten Parallelen zu William Mandella, der ebenfalls ein Studium der Physik absolviert hat und eher widerwillig in den Kampf zieht. Die Mitglieder dieser zehnköpfigen Kampfeinheiten sind nicht nur eng mit ihren jeweiligen Soldierboys verbunden, sondern stehen während ihrer Kampfeinsätze auch untereinander in enger geistiger und emotionaler Verbindung. Sie verschmelzen miteinander und werden zu einer Person – mit allen Vor- und Nachteilen. Einer dieser Vorteile entpuppt sich dabei als Grundlage, um alle Kriege auf Erden ein für allemal beenden zu können.

Auch wenn mir die Lösung doch als etwas hanebüchen erscheint, ist die Geschichte an sich recht lesenswert und interessant. Julian ist, wie auch William Mandella, ein Charakter mit dem man sich als Leser identifizieren kann, seine Beweggründe sind nachvollziehbar. Vielleicht ist das auch der Ich-Erzählweise geschuldet, die Haldeman in allen drei Büchern hauptsächlich benutzt und dem Leser so eine bessere Identifikation mit dem Helden ermöglicht.

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Fazit:
Die vorliegende Gesamtausgabe ist nicht nur optisch ein echter Leckerbissen, sondern auch inhaltlich. Obwohl sich das Hauptthema in allen drei Geschichten um den Krieg dreht, langweilt Haldeman nicht mit endlosen heroischen Schlachterzählungen, sondern konzentriert sich vielmehr auf die Folgen dieser Kriege für die daran beteiligten Soldaten. Das macht die Bücher nicht nur lesenswert, sondern auch zutiefst menschlich.
 


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